Ausgrabungen | Baiovarisch

Bayerns ältestes Gesetzbuch: Die Lex Baiwariorum - Das Recht der Baiern

Von mehreren germanischen „Stämmen“ sind uns die frühen Gesetzbücher überliefert, z.B. von den Goten, den Franken, Burgunden oder Alemannen. Sie sind lateinisch geschrieben, enthalten aber alte, sprachlich und kulturhistorisch interessante germanische Wörter. Im langobardischen Edictum Rothari, dem Gesetzbuch des Königs Rothari von 643, z.B. wegworin „Wegverwehrung, Wegversperrung“ oder marh-worf „Herabwerfen vom Pferd (Mähre)“.

Die ältesten Rechtstexte stammen aus dem 5. Jahrhundert, Zeit und Umstände der Entstehung der Lex Baiwariorum sind umstritten. Ihre Kodifizierung muss spätestens in der Mitte des 8. Jahrhunderts erfolgt sein, da sie um 756 der ersten bairischen Kirchensynode, der Synode von Aschheim bei München, bereits vorlag.

„Die Gesetze aber sind gemacht“, heißt es im Vorwort, „damit aus Furcht vor ihnen der menschliche Übermut gezügelt werde und die Unschuld zwischen den Bösartigen sicher sei.“ Die drei Teile befassen sich mit Kirchensachen, Herzogsrecht und den Volkssachen mit Bußgeldkatalog. Hier geht es wie heute um Delikte wie Tötung, Brandstiftung u.ä., aber auch um verschiedene Arten von Verstümmelungen, um Frauenraub oder um die Verunreinigung von Quellen. Auch der Tatbestand des „Pferdewurfs“ findet sich wieder (De ab equo proiectis), er heißt hier marchfalli und kostete den Täter sechs Solidi – soviel wie ein horcrift, die unsittliche Berührung einer Frau („Hur-Griff“).

Eine viel diskutierte Besonderheit der Lex Baiwariorum ist im Kapitel De genealogiis (III 1) die Hervorhebung des Herrschergeschlechts der Agilolfinger. „Der Herzog“, heißt es da „der dem Volk vorsteht, war immer aus dem Geschlecht der Agilolfinger und muss es sein.“ Die Passage ist besonders auffällig wenn man bedenkt, dass kein Agilolfinger Agilolf hieß, wohl aber ein langobardischer König, und dass Namen mit dem Stamm *agila– „Schrecken“ besonders bei den Langobarden verbreitet waren.

Ebenso ungewöhnlich ist die Aufzählung von fünf Adelsgeschlechtern, „welche die Namen Huosi, Drozza, Fagana, Hahilinga und Anniona führen“ und „gleichsam die ersten sind nach den Agilolfingern.“ Man hat gemeint, ihre Nennung deute auf das Alter dieser „Genealogien“ hin, auf ihre Verwurzelung im bairischen Herzogtum, oder auch, umgekehrt, auf fränkischen „Import“ als Gegengewicht zum Herzog. Die Huosi jedenfalls sind auch für Herrsching von besonderem Interesse. Vielleicht war ja der in Grab 9 des Separatfriedhofs bestattete Gründer der Herrschinger Adelskirche ein Angehöriger dieser Sippe.

Übrigens, die Schreibung Baiwariorum bevorzugen heute die meisten Historiker. Sie findet sich bereits 1926 bei E. v. Schwind, dem Herausgeber der Lex in den Monumenta Germaniae Historica, und ist lautgeschichtlich besser begründet als andere. Gleiches gilt für die Schreibung Baiovaren anstelle der alten Bezeichnung „Bajuwaren“.

Schwind, Ernst von (Hg.): Lex Baiwariorum (MGH Leges nationum Germanicarum 5,2), Hannover 1926

Lex Baiwariorum, De genealogiis: Dux vero qui praeest in populo ille semper de genere agilolvingarum fuit & debet esse quia sic reges antecessores nostri concesserunt eis - „Der Herzog aber, welcher dem Volk vorsteht, war immer aus dem Geschlecht der Agilolfinger und muss es sein, weil unsere Vorgängerkönige ihnen dies gewährt haben“.
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