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Bayerns ältester Adel: Die Huosi

Im Namen der „Heimat- und Trachtenvereinigung Huosigau“ lebt es bis heute fort, das „uralte Adelsgeschlecht“ der Huosi. Wegen ihres Namens hat man die Hosi -so lautete die ältere Wortform- mit den Osi in der Germania des Tacitus (um 100 n. Chr.) gleichgesetzt und zum germanischen „Uradel“ erklärt. Und wegen der Lokalisierung von Huosi-Besitz bei Scheyern hat man sie wiederum zu „Urahnen der Wittelsbacher“ gemacht. Sie wurden so zum legendären Angelpunkt in einer 2000jährigen bayrischen Adelsgeschichte.

Manche der scharfsinnigen Aussagen über diese Adelssippe bewegen sich freilich im weiten Feld zwischen wissenschaftlicher Kreativität und patriotischer Spekulation. Ein amerikanischer Huosi-Spezialist schrieb 2018 ein Buch mit fast 400 Seiten über Huosiland. A Small Country in Carolingian Europe und meinte, „Huosiland ist vielleicht die am besten dokumentierte europäische Landschaft dieser Zeit.“

Aber auch die Kritik an der „Huosiermanie“ (Störmer) ging gelegentlich zu weit. Der Fall Huosi ähnelt einem Indizienprozess, bei dem der Angeklagte hartnäckig schweigt. Er kann in diesem Fall zwar nicht mehr zum Reden gebracht werden, doch die Indizien sind gewichtig. Die „genealogisch-besitzgeschichtliche Methode“, auf der die Indizienkette beruht, wird zwar gelegentlich angezweifelt (Holzfurtner), hat sich aber in den Forschungen zum Adel des frühen Mittelalters seit über 100 Jahren bewährt. Ähnlichkeit der Namen und Besitznachbarschaft bezeugen Verwandtschaft, das ist neben anderen Indizien der Kernpunkt dieser Methode.

Denn adliger Grundbesitz konnte ungeteilt nur durch die Stiftung (traditio) an ein Kloster und der Vereinbarung einer Rückgabe als Lehen erhalten werden. Sonst verfiel er der Teilung unter den männlichen Nachkommen, die dann Nachbarn wurden. Nachbarschaft beruht folglich auf Verwandtschaft. Wahrung des adligen Besitzstandes war dabei mindestens ein ebenso wichtiges Motiv für solche Adelsstiftungen wie die Sorge um das Seelenheil.

Und die Namen wählte man in diesen Adelssippen nach alter Tradition, nämlich durch Wiederholung und Abwandlung der zweigliedrigen Namen, wie z.B. im althochdeutschen Hildebrandslied, einem Heldenlied über den Kampf zwischen Heribrants Sohn Hiltibrant und dessen Sohn Hadubrant. Da es noch keine Familiennamen gab, erkannte man die Sippenzugehörigkeit an der Variation des Namens.

Im unserem Fall führt diese Methode in einer komplizierten Beweisführung zwar nicht mehr zu einem Geständnis, aber doch zu einem plausiblen Urteil: die Huosi waren die mächtigste Adelssippe im Herzogtum der Agilolfinger. Ihr Grundbesitz war riesig, er reichte vom Passauer Raum über das Inntal (Imst, Zirl), den Walchen- und Kochelsee bis in das Gebiet nördlich des Ammersees. Dort, in confinio Hosiorum, lagen ihre zentralen Besitztümer, der Ort Jesenwang (Oasinwanc) trägt nach Meinung einiger Forscher noch heute ihren Namen. Von einem „Gau“ sollte man allerdings nicht sprechen, trotz der Angabe in einem Diplom König Ludwigs d. Deutschen von 844, Sulzemoos liege in pago Huosi. Die lateinische Angabe in pago dient in den damaligen Urkunden nur formelhaft der Lokalisierung eines Siedlungsgebiets (v. Polenz).

Zur Huosi-Sippe rechnet man mehrere Freisinger Bischöfe des 8. und 9. Jahrhunderts, darunter den bedeutendsten von ihnen, Bischof Arbeo. Zahlreiche Klöster gelten als ihre Gründungen, mit mehr oder weniger Recht, so neben Benediktbeuern, Schäftlarn oder Tegernsee vor allem das politisch und wirtschaftlich wichtige, am Weg nach Italien gelegene und überaus reich ausgestattete Kloster Scharnitz. Dieses wurde kurz nach seiner Gründung nach Schlehdorf am Kochelsee verlegt und wurde dort zu einer Art „Hauskloster“ der Huosi (Störmer).

In der Lex Baiwariorum, dem ersten bairischen Gesetzbuch, werden die Huosi als führendes Adelsgeschlecht (genealogia) erwähnt. Sie haben dort ihren Platz direkt hinter dem Herzog – eine Hervorhebung, die zu den unterschiedlichsten Deutungen geführt hat. Sie sollten ein politisches Gegengewicht gegen die Agilolfinger sein, hat man z.B. vermutet, ein fränkischer „Pfahl im Fleische des Herzogtums“ (Prinz). Namentlich erscheinen Angehörige der Huosi vor allem in den Freisinger Schenkungs-Urkunden („Traditionen“) des 8./9.Jahrhunderts, sei es als Stifter, als streitende Parteien oder als -zur Sippe gehörige- Zeugen. Die Auswertung dieser wichtigen historischen Quelle bildet das Fundament aller Versuche, die Familiengeschichte der Huosi-Sippe zu rekonstruieren.

Reginhart heißt da einer, Isangrim ein anderer. Variiert man die Namen, wie es Tradition war, ergibt sich Isanhart – der Name des Adligen, der 776 seinen Herrschinger Grundbesitz an das Huosi-Kloster Schlehdorf stiftete. Ein wichtiges Beweisstück in unserem Indizienverfahren: auch Horscaningun gehörte wahrscheinlich zu den Besitztümern der Huosi.

  • Hammer, Carl I.: Huosiland: a small country in Carolingian Europe. Oxford 2018
  • Hartung, Wolfgang: Tradition und Namengebung im frühen Mittelalter. In: Erberl, I., Hartung W., Jahn J. (Hgg.), Früh- und hochmittelalterlicher Adel in Schwaben und Bayern. Regio 1, 1988, S.23-79
  • Holzfurtner, Ludwig: „Pagus Huosi“ und Huosigau. Untersuchungen zur Gaulandschaft im westlichen Oberbayern. In: Land und Reich, Stamm und Nation. Festgabe für Max Spindler zum 90. Geburtstag. Hrsg. von A. Kraus. Bd.1, München 1984, S.287-304
  • Jahn, Joachim: Ducatus Baiuvariorum. Das bairische Herzogtum der Agilolfinger. Stuttgart 1991
  • Polenz, Peter von: Landschafts-und Bezirksnamen im frühmittelalterlichen Deutschland. Marburg 1961
  • Prinz, Friedrich: Frühes Mönchtum im Frankenreich. Darmstadt 21988
  • Störmer, Wilhelm: Adelsgruppen im früh- und hochmittelalterlichen Bayern. München 1972
Begleitheft zur Ausstellung „Huosi“, Polling 2011
Lex Baiwariorum III 1. De genealogia, qui vocantur Hosi, Drozza, Fagana, Hahilinga, Anniona „Über die Geschlechter mit dem Namen Hosi ...“
Freisinger Urkunde von 791 über die Schlichtung eines Erbstreits zwischen Huosiern. Zeile 11: Et tunc congregati fuerunt Hosi et fecerunt concilium inter illos „Und da trafen sich die Huosier und beriefen eine Versammlung ein untereinander“.
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