Ausgrabungen | Baiovarisch
Bajuwaren in Bayern?
Bayern gibt es erst seit 1825, jedenfalls das Bayern mit griechischem Ypsilon. Die Schreibung hat König Ludwig I. festgesetzt, aus Sympathie mit den alten und neuen Griechen und deren Kampf gegen die osmanische Herrschaft. Das Ypsilon findet man vor der Regulierung der Orthographie in vielen Wörtern, man schrieb z.B. seyn, und man diskutierte auch schon länger über seine Verwendung, aber jetzt war es für das moderne Bayern die reguläre Schreibweise. Da im heutigen Bayern auch fränkisch und schwäbisch gesprochen wird, gibt es keinen bayerischen Dialekt, sondern nur einen bairischen. Und der wird auch in Österreich gesprochen.
Die Wissenschaftler übrigens schreiben Baiern, wenn sie die Gebiete meinen, in denen bairisch gesprochen wird, also das sog. „Altbaiern“ seit dem frühen Mittelalter. Fassen sie die gesamte Geschichte ins Auge, benutzen sie die Schreibung Bayern.
Auch wenn es nicht so aussieht: noch jünger als Bayern ist die Bezeichnung Bajuwaren. Sie verdankt ihre Entstehung nicht einem Erlass des Königs, sondern einem Irrtum der Wissenschaftler. K. Zeuss, der Begründer der Keltologie und Verfasser eines unglaublich reichhaltigen Buchs über das frühe Mittelalter, ungenannte Quelle vieler heutiger Aufsätze, verwendet 1837 die Bezeichnung Baiowaren – neben Baiovaren die beste aller heute kursierenden Schreibungen.
Die ersten Belege des Namens begegnen im 6. Jahrhundert in der lateinischen Gotengeschichte des Jordanes und in den Werken des Venantius Fortunatus, des „letzten römischen Dichters“. Die latinisierten Formen lauten, zusammengefasst, Bai-(o)-(v)ari, Bai-o-varius „der Baier“ und Bai-varia „Baiern“. Der zweite Teil der Zusammensetzung enthält den Stamm des Wortes wehren, also im Anlaut ein [w]. Dieser Laut wird im Lateinischen wiedergegeben durch die Buchstaben v, u oder auch uu, dem englischen „double u“, aus dem unser Schriftzeichen w entstanden ist. Zwischen den beiden Teilen, in der sog. Kompositionsfuge, stand ursprünglich ein o, wie z.B. bei den Lang-o-barden oder Mark-o-mannen. Dieses Fugen-o fiel später regulär aus, es entstand also eine Namensform der Baiuuare.
Soweit verlief die Entwicklung im normalen Bereich des Lautwandels, wie auch bei der Weiterentwicklung zur Form Baiern, bei der im zweiten Wortteil auch noch das w ausfiel wie bei vielen Zusammensetzungen (Ruod-wolf > Rudolf). Jetzt aber kam man im 19. Jh. auf die Idee, in der Form Bai-uuare das Schriftzeichen uu = w als eine Verbindung zweier Laute zu interpretieren, eines Vokals u mit dem Konsonanten v=w. Das i des Diphthongs in Bai- wurde dann zu einem „Gleitlaut“ j uminterpretiert, der die gegensätzlichen Vokale a und u verbinden musste, und entstanden war der Name Ba-j-uwaren.
In der heutigen Forschung wird zunehmend die Schreibung Baiovaren bevorzugt, die den ältesten latinisierten Wortformen entspricht und auch der Etymologie des Namens Rechnung trägt. Akzeptabel wäre auch die Schreibung Baiowaren von K. Zeuss, die im zweiten Namensteil das deutsche Zeichen w anstelle des lateinischen v verwendet.
Zeuss, Kaspar: Die Deutschen und ihre Nachbarstämme. München 1837. Nachdruck Heidelberg 1925