Geschichte
1223
Ramsee
Im Süden von Herrsching, im Waldgebiet nach Schloss Mühlfeld, steht am Rande eines Wanderweges ein Gedenkstein. Er erinnert an das ehemalige Dorf Ramsee, das vor mehr als 150 Jahren abgebrochen wurde. Heute ist das gesamte Gebiet aufgeforstet und nur mit viel Phantasie kann man sich vorstellen, dass hier ein Weiler mit bis zu acht Anwesen gestanden haben soll. Wenn im Frühling letzte verwilderte Obstbäume blühen ahnt man, dass es hier einmal etwas anderes als Wald gegeben haben muss.
Der Ort Ramsee wird in alten Urkunden zum ersten Mal 1223 erwähnt, ein bescheidenes Anwesen, das im Wittelsbacher Herrschaftsurbar als „Gütl“ bezeichnet wird. Im Rodungsgebiet rund um den Weiler liegen die Wiesen und Äcker der Bauern, die aber wegen der minderwertigen Bodenqualität nur wenig Ertrag abwerfen. Dennoch können die Ramseer eine kleine Kirche errichten. Ihr Namenspatron St. Nikolaus verweist auf ein hohes Alter der Kirche und – wie bei der Herrschinger Nikolaus-Kirche – auf die Beziehung der Bewohner zum Ammersee, gilt St. Nikolaus doch als der Patron der Fischer und Seeleute. Der Weiler Ramsee verschwindet in der Mitte des 19. Jahrhunderts von der Landkarte. Dies führt bis heute dazu, dass die Geschichte von den Ramseer Bauern erzählt wird, die ihr gesamtes Geld im Andechser Bräustüberl ließen und somit indirekt das Kloster für den Niedergang des Ortes verantwortlich sei.
Das Gegenteil ist der Fall. Solange die Ramseer Bauern Grunduntertanen des Klosters sind, werden ihnen bei Krankheit, Unfällen oder Naturkatastrophen wie einem Scheunenbrand oder Unwetter die Abgaben gestundet oder gemindert. Durch die Säkularisation 1803, durch die die Ramseer Flur an die kurfürstliche Güterverwaltung übergeht, kommen die Ramseer Bauern bei wirtschaftlichen Problemen in finanzielle Schwierigkeiten. Sie können ihrer Abgabenpflicht nicht mehr nachkommen und müssen nach und nach ihre Höfe verkaufen. Die Abfolge neuer Besitzer wechselt immer rascher, bis ein Bodenspekulant den gesamten Grund aufgekauft hat.
Für ein paar kurze Jahre entsteht das „Gut Ramsee.“ Aus dieser Zeit stammt auch eine der wenigen Abbildungen, auf denen Ramsee und das Kirchlein St. Nikolaus zu sehen sind. Der letzte Besitzer Felix Wieninger verkauft 1860 das Anwesen an das nunmehr königliche Staatsärar für 85.000 Gulden. Die königliche Forstverwaltung beginnt daraufhin mit der Aufforstung des ehemaligen landwirtschaftlichen Geländes. Wieniger verpflichtet sich zum Abbruch der Gebäude.
Die Kirche St. Nikolaus erleidet das gleiche Schicksal. Vermögen und Inventar der Kirche werden der Herrschinger Kirchenstiftung übergeben. Bis heute besitzt die Herrschinger Pfarrei zwei Reliquienpyramiden und einen silbernen Messkelch aus der Ramseer Kirche. Die Kirchenglocken werden in der Friedenskapelle in Erling weiterverwendet, wahrscheinlich aber im 1. Weltkrieg eingeschmolzen.
Dr. Friedrike Hellerer