Ausgrabungen | Baiovarisch
Die Seche - ein aufschlussreicher Depotfund
Das Sech ist „ein gebogenes Messer, das den dichten Boden vor dem Pflügen durchschneidet und durch tiefe Schnitte die Furche vorzeichnet, in die die nachfolgende Schar eingreifen soll.“ So beschreibt der römische Schriftsteller Plinius, der im Jahr 79 n. Chr. beim Vesuvausbruch ums Leben kam, in seiner Naturalis Historia die Funktion solcher „Pflugmesser“. Das Wort kommt zwar aus dem Lateinischen (*secum, zu secare „schneiden“), die Sache ist aber eine Erfindung der Kelten, und archäologisch nachgewiesen sind Seche vorwiegend nördlich der Alpen.
Der Herrschinger Fund ist allein schon wegen seiner Größe ungewöhnlich (8 Seche, bis zu 75 cm lang, 30 kg schwer), und er zeigt damit die Bedeutung der landwirtschaftlichen Produktion für die Villa rustica. Aufschlussreich ist aber auch die Art, wie die Seche in den Boden gelangt sind. Sie waren, zusammen mit einer Eisenstange, nebeneinander in eine Grube gelegt worden, die man nachträglich in den Fußboden eines Hauses gegraben hatte. Man spricht in solchen Fällen von einem „Depotfund“ und hat sich zu fragen, was die Gründe für die geordnete Deponierung in einer Art Kellerloch gewesen sein könnten.
Da man 30 kg schwere Eisengeräte wohl nicht in Kellerlöchern aufbewahrte, bleibt das Versteck die einzige plausible Erklärung. Die durch anderes Fundmaterial gestützte Datierung des Depots in die Mitte des 3. Jahrhunderts stützt diese Deutung. Es war die Zeit der großen Krisen des römischen Reichs, in den Nordprovinzen vor allem die Zeit der Alamanneneinfälle, der Einnahme der Limeskastelle und der Zerstörung von Städten wie Cambodunum/Kempten (259 n.Chr.).
Das Sechdepot lässt uns die Gefahren nacherleben, denen die Bewohner der Villa rustica in jener Zeit ausgesetzt waren. Es zeigt uns zugleich, wie man sich ihr unruhiges und eingeschränktes Leben in den verbleibenden 100 Jahren vorzustellen hat: Die Leute, die nach Ausweis von Münzen und andern Fundstücken bis in die Mitte des 4. Jahrhunderts ausharrten, haben die versteckten Seche jedenfalls nie wieder verwendet.