Ausgrabungen | Baiovarisch

„Typisch für die ländlichen Siedlungen in römischer Zeit ist ihre verhältnismäßige Fundarmut im Vergleich zu den Straßenstationen, vici [=Siedlungen] und Städten. Dies trifft auch auf den Gutshof von Herrsching zu“ (Stefan Mühlemeier). Trotz dieser Feststellung des Ausgräbers ist die Liste der Herrschinger Fundstücke beachtlich, vielleicht nicht in ihrer Menge und Qualität, aber doch in ihrer Vielfalt.

Es fand sich Baumaterial wie Fensterglas, Nägel, Mörtel, Estrichstücke und Dachziegel, auch Ziegelteile des römischen Heizungssystems, so besonders im Badehaus. Andere Fundstücke geben Zeugnis vom täglichen Leben der Bewohner – neben den zahlreichen Keramikscherben z.B. die Fragmente von Schminktäfelchen aus poliertem Stein, ein Schlüssel mit Riegel, ein eiserner Schreibgriffel (stilus) oder die Spielsteine von Kindern. Mehrere im gesamten Areal der Villa rustica gefundene Gefäßteile stammen von importierten Specksteingefäßen, die wegen der Hitzebeständigkeit des Materials – auch Lavez genannt – wahrscheinlich als Kochgeschirr genutzt wurden. Einen gewissen Wohlstand bezeugen schließlich auch Schmuckstücke wie Perlen, Haarnadeln, Anhänger oder ein silberner Fingerring.

Historisch bedeutsam und anrührend sind zwei Funde ganz unterschiedlicher Art, die aber beide ein Zeugnis sind für die letzte, vielleicht dramatische Phase unsere Villa rustica. Es ist einmal der viel beachtete Fund der 30 kg schweren eisernen Seche, die vielleicht in Erwartung von Überfällen in einer Grube versteckt worden waren. Und es ist zum anderen eine kleine, recht unscheinbare Riemenzunge, die bei einem der Kalkbrennöfen gefunden wurde und die in der Mitte des 4. Jahrhunderts wahrscheinlich beim Abbruch von Mauerresten verloren gegangen war.