Ausgrabungen | Baiovarisch

Archäologie der Kalkbrennöfen

Vereinfacht gesagt dienen Kalkbrennöfen dazu, aus Kalksteinen durch Erhitzen den Baustoff Kalk zu gewinnen. Findet der Archäologe solche Kalköfen, wie an mehreren Stellen des Herrschinger Ausgrabungsgeländes, kann dies zweierlei bedeuten: man wollte in der Nähe etwas bauen, schaffte Steine heran und brannte sie zu Kalk, oder man fand in der Nähe Steine und wollte daraus Kalk gewinnen. Für die historische Interpretation des Befunds „Kalkofen“ ist dies ein gewaltiger Unterschied: im ersten Fall bedeutet er den Anfang, im zweiten das Ende eines Bauwerks.

Entscheidend ist in beiden Situationen eine Datierung des Kalkofens. Im Falle der drei baugleichen Öfen auf dem Areal der Villa rustica erlauben die in einem der Öfen gefundenen zwei Münzen eine genaue Datierung, und zwar in die Mitte des 4. Jahrhunderts. Das ist die Zeit, in der die meisten römischen Gutshöfe bereits verlassen und verfallen waren. Da alle Öfen in der Nähe von altem Mauerwerk standen (Nr.42 und Nr.382 im Grabungsplan der Villa rustica), ist ihre Funktion klar: sie dienten der Verwertung von Ruinen.

Schwerer zu beurteilen ist die Funktion der beiden Öfen, die in der Grabung 1982 südlich der Adelskirche entdeckt wurden. Da datierbare Funde fehlen, hat man die Zeit des letzten Brandes der beiden Öfen mit modernen naturwissenschaftlichen Methoden ermittelt (Datierung durch Archäomagnetismus + Thermolumineszenz). Es ergab sich das Datum 670 – allerdings mit einem Spielraum von ± 30 Jahren. Man könnte die Kalköfen also schon zum Bau der Steinkirche verwendet haben, frühestens um 640, oder bei deren Abriss, spätestens um 700. Eine Entscheidung ist vorerst nicht möglich, der ermittelte Zeitrahmen bestätigt aber die unabhängig ermittelte Datierung der zur Kirche gehörigen Gräber auf die Zeit zwischen 620/630 und 700.

Kalkbrennofen in der Nähe des Badegebäudes (Nr.42), durch Münzen datiert
Weiße Schicht = Kalk
Rote Schicht = durch Brand geröteter Sand
Bearbeiteter Feuerstein (Plattensilex), vielleicht „Feuerschläger zum Anzünden des Ofens“ (Biermeier, Grabungsbericht 2004, S.14)
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