Geschichte
1956
Die Herrschinger Erlöserkirche
Bis 1956 mussten die Herrschinger Evangelischen warten, bis sie eine eigene Kirche bekamen. Zuvor mussten sie sich mit verschiedenen Provisorien zufrieden geben. Erst zum Ende des 19. Jahrhunderts kamen Evangelische nach Herrsching. Für das Jahr 1900 ist die Zahl von 16 Evangelischen bei einer Gesamtbevölkerung von 448 Herrschingern bekannt. Durch die Erbauung der Keramischen Fabrik ab 1907 kamen viele neue Mitarbeiter nach Herrsching, die zu einem beträchtlichen Teil aus evangelischen Landesteilen zuzogen. Für diese Neubürger der Gemeinde fand 1910 der erste evangelische Gottesdienst in Herrsching in einem Raum des Gasthauses „Seespitz“ statt. Aus Weilheim war der Reiseprediger Singer angereist. Hausherr war der aus Dießen zugezogener Sägewerksbesitzer und Gastwirt Edwin Schapell.
Noch vor dem Ausbruch des Ersten Weltkriegs muss die Keramische Fabrik ihre Arbeit wieder einstellen und damit verließen auch viele der hiesigen Evangelischen Herrsching wieder, um andernorts Beschäftigung zu suchen. 1915 wurde Herrsching der Pfarrei Pasing zugeschlagen und die Gottesdienstbesucher konnten erst ab 1920 wieder eigene Andachten in Herrsching feiern, zu denen ein Reiseprediger aus Pasing anreiste.
Der 1921 gegründete „Evangelische Verein Herrsching“ machte es sich zur Aufgabe, nicht nur das kirchliche Leben zu fördern, sondern auch eigene Räumlichkeiten zur Abhaltung des Gottesdienstes zu schaffen. 1932 konnte die Kirchengemeinde ein Grundstück an der Riederstraße erwerben. Ein Münchner Architekt fertigt zwar Pläne für eine Kirche, diese wurden aber nicht verwirklicht.
In der Zwischenzeit kaufte die Kirchengemeinde das alte Schul- und Rathaus an der Leitenhöhe und der ehemalige Sitzungssaal wurde zum Betsaal umgebaut. Der Pasinger Pfarrer Pöhner hielt dort im Mai 1926 den ersten Gottesdienst. Der Saal wurde bis 1945 genutzt.
Durch die zahlreichen Flüchtlinge und Vertriebenen, die 1945 auch nach Herrsching kamen, wuchs die evangelische Kirchengemeinde weiter an. Im Einvernehmen mit dem katholischen Pfarrer Bader und dem Dekanat konnten die Evangelischen ab dieser Zeit bis zum Bau der eigenen Kirche die sogenannte „obere“ Kirche Herrschings, die Kirche St. Martin, als Gotteshaus nutzen.
1953 beauftragte man den in Herrsching ansässige Architekt Roderich Fick mit dem Bau einer evangelischen Kirche und am 02. Juli 1955 erfolgte der Spatenstich am Kienbach neben den Bahngleisen, nachdem man das ursprüngliche Grundstück gegen diese Lage eingetauscht hatte. Roderich Fick starb kurz nach dem Spatenstich, aber seine Witwe Katharina Büscher-Fick setzte die Arbeit ihres Mannes fort, und nachdem die notwendigen Gelder gesammelt werden konnten, wurde 1965 auch der von ihr entworfene, freistehende Glockenturm eingeweiht.
Die strenge, fast karge Formensprache des Kirchenbaus ist bis heute ein reizvoller Gegensatz zu den meist üppigen Barockkirchen im Voralpenland und auch der schlichte Innenraum überzeugt durch klare, unaufdringliche Linien. Bernhard Bleeker schuf den Altar, die Kanzel, den Taufstein und das Altarkreuz.
Dr. Friedrike Hellerer