Geschichte
ein Haus mit vielen Bestimmungen
Die erste Schule
In Bayern wurde am 13. Dezember 1802 die allgemeine Schulpflicht eingeführt, Herrsching hatte aber kein Schulgebäude und keinen Lehrer. Die schulpflichtigen Herrschinger Kinder gingen in Oberalting zur Schule, was bedeutete, dass sie einen sehr weiten Schulweg hatten. Einen Schulbus oder eine andere Transportmöglichkeit gab es natürlich nicht.
Südlich unterhalb des Kirchberges – heute Ecke Leitenhöhe und Schönbichlstraße – besaß der Mesner Jakob Daiser ein Anwesen, eine Bauernsölde aus dem 16. Jahrhundert, das Haus Nummer 41. Die Beschreibung des Hauses aus der damaligen Zeit gibt eine Vorstellung von der Größe des Hauses: das Gebäude ist 47 Fuß lang und 40 Fuß breit; das Wohnzimmer 16 Fuß lang, 14 Fuß breit und 8 Fuß hoch; das Lehrzimmer 20 Fuß lang, 15 Fuß breit und ebenfalls 8 Fuß hoch; die Küche ist 9 Fuß lang und ebenso breit, dafür 12 Fuß hoch. (Ein bayerischer Fuß oder Schuh maß damals knappe 30 cm).
Jakob Daiser und seine Frau Marie bekamen am 12. September 1762 einen Sohn Philipp, der – wie damals üblich – nachdem er die Volksschule abgeschlossen hatte, zu einem Lehrer in die Lehre ging und 1786 als Hilfslehrer angestellt wurde. 1819 richtete Philipp Daiser im Haus Nummer 41 das erste Herrschinger Schulzimmer ein.
Der erste Herrschinger Schullehrer wurde von der Gemeinde bezahlt, eine Mietentschädigung bekam er je zur Hälfte vom Patrimonialgericht und der Gemeinde. Zur „Unterweisung in der Christenlehre“ bzw. zur Sonntagsschule mussten die Kinder weiterhin nach Oberalting laufen.
Philipp Daisers am 21. April 1808 im Schulhaus geborener Sohn Georg wurde Herrschings zweiter Lehrer, aber er besuchte schon eine Lehrerbildungsanstalt zur Vervollkommnung seiner Ausbildung. Georg heiratete 1841 Katharina Mayr aus dem nahen Weiler Rausch. Die Ehe hatte aber nur kurze Dauer, denn schon zwei Jahre später heiratete die Schullehrerswitwe den Windacher Schulverweser Georg Berger, der Herrschings dritter Lehrer wurde.
Die königlich-bayerische Schulinspektion mahnte zwar wiederholt den Bau eines neuen, eigenen Schulhauses an, die Herrschinger aber verzögerten den Bau, der für die kleine, arme Gemeinde eine gewaltige Investition bedeutete. Erst 1877 war es soweit, dass an der heutigen Luitpoldstraße ein Grundstück für 2100 Mark erworben wurde und ein neues Schulhaus entstand.
Das Gebäude mit dem dazugehörigen Grund hatte schon 1857 die Gemeinde gekauft, die das ehemalige Schulzimmer nun für die Gemeindeverwaltung nutzte und darin Ratssitzungen abhielt. Der Gemeindeschreiber bewohnte den ersten Stock des Haus. Wenn notwendig konnte auch ein Zimmer für eine Nacht als eine Art Gefängnis verwendet werden.
Da Herrsching sich 1926, wenn auch unter großen Mühen, den Kauf der ehemaligen de Fiori-Villa in der Bahnhofstraße leistete und zum Rathaus um- und ausbaute, stand das alte Schulhaus zum Verkauf. Die evangelische Kirchengemeinde war schon länger auf der Suche nach einer dauerhaften Bleibe und erwarb 1926 für 14 000 Mark das Gebäude. Am 16. Mai 1926 wurde im neu eingerichteten Betsaal vom Pasinger Pfarrer Ludwig Pöhner der erste Gottesdienst im eigenen Haus gefeiert. Bis 1945 wurde so Gottesdienste abgehalten.
Der Betsaal wurde nach Ende des 2. Weltkrieges durch den Zuzug vieler evangelischer Vertriebener zu klein, aber bis zum Verkauf 1957 weiterhin als Jugend- und Versammlungsraum für Gemeindeabende genutzt.
Seit 1957 befand sich das Gebäude in Privatbesitz. Es wurde 1961 abgerissen. Im Neubau befand sich die Bar „Eulenspiegel“. Inzwischen ist auch der „Inder“, der für ein paar Jahre eine exotische Note nach Herrsching brachte, wieder ausgezogen und das Gebäude wird nur noch als Mietshaus genutzt.
Dr. Friedrike Hellerer