Ausgrabungen | Baiovarisch

Herrsching als Geschenk: Die Stiftung des Isanhart

Es war im Jahr 776, genau 300 Jahre nach dem Ende des römischen Reichs. Im Frankenreich regierte seit fast 10 Jahren Karl der Große, im Herzogtum der Agilolfinger begannen die letzten Jahre der Herrschaft von Tassilo III. In diesem Jahr unterzeichneten sieben Zeugen eine Schenkungsurkunde, Reginhart, Deotpald, Keruuolf, Kaganhart, Nendinc, Otti sowie Isanhart, der Stifter. Die Zeugen waren Adlige, also wahrscheinlich mit dem Stifter verwandt, wie es Herzog Tassilo 769 in der Synode von Dingolfing als für Schenkungen gültige Rechtsform festlegen ließ. Geschrieben hat die Urkunde der Abt des Klosters Schlehdorf, Atto, der nach dem Tod des Freisinger Bischofs Arbeo 783 dessen Nachfolger werden sollte.

Beurkundete wurde die TRADITIO ISANHARTI AD HOR[S]CANINGUN ET AD HOLZHUSUN VEL AD ERILINGUN, also die „Schenkung des Isanhart in Herrsching, in Holzhausen und in Erling“. Sie umfasste in Herrsching seinen gesamten Besitz, ad Horscaninga quicquid ibidem habere videtur totum, „alles was er in Herrsching hatte“, nämlich Wiesen, Weiden, Wälder, Gewässer, Häuser, Gesinde, Mobiliar, außerdem, mit einigen Einschränkungen, seinen Besitz in Holzhausen, Raisting und Erling.

Wie man sieht, war Isanhart eine wichtige, vermögende Persönlichkeit, ein vir nobilis, ein Mitglied des Adels. Seine Stiftung hatte also neben religiösen vor allem wirtschaftliche Gründe, und das war wohl der Normalfall bei solchen „Traditionen“. Die gestifteten Besitztümer konnten als Lehen (beneficium) an den Stifter oder einen seiner Söhne oder Enkel ungeteilt rückübertragen werden, damit entging man der sonst fälligen Erbteilung und dem allmählichen Verlust des adligen Vermögens.

Diese Art der Vermögenssicherung war besonders dann aussichtsreich, wenn das beschenkte Kloster eine Gründung der Stifterfamilie war und auch der Abt zu dieser Adelssippe gehörte – wie im Falle der Isanhart-Schenkung. Sie ging an das Kloster Schlehdorf am Kochelsee, das „Hauskloster“ der Huosi (Störmer). Dessen Abt Atto, der Schreiber unserer Urkunde, gehörte ebenso zur Adelssippe der Huosi wie der Freisinger Bischof Arbeo, der erste Abt des ursprünglich in Scharnitz gegründeten Klosters.

Ob Isanharts Sohn Kaganhart, der bei der Beurkundung als Zeuge anwesend war, den Herrschinger Grundbesitz als Lehen zurückbekam? Wir wissen nur, dass eine ebenfalls im Jahr 776 beurkundete Schenkung zweier Nachbarn Isanharts, die in Fischen begütert waren, nicht zum gewünschten Ergebnis geführt hat, trotz der ausdrücklich vereinbarten Rückgabe als zu verzinsendes Lehen (Mayr).

Für uns aber ist die Isanhart-Urkunde ein Glücksfall. Wir erfahren nicht nur das Alter des Fischerdorfs Herrsching und seinen ursprünglichen Namen, Horscaningun, der uns interessante historische Informationen liefert. Wir erfahren auch, wer die Leute waren, die hier 150 Jahre früher neben ihrer Privatkirche mit massiv silbernem Prunkgürtel und Goldfäden im Gewand bestattet worden sind: es waren offenbar Angehörige von Baierns ältestem Adel.

Störmer, Wilhelm: Adelsgruppen im früh- und hochmittelalterlichen Bayern. München 1972
Mayr, Gottfried: Studien zum Adel im frühmittelalterlichen Bayern. München 1974

Bischof Atto. Freising, Fürstengang
Frühe Besitzungen des Klosters Schlehdorf (nach Störmer)
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