Ausgrabungen | Baiovarisch

Eine asiatische Gürtelmode in Baiern

Die Verzierung eines Gürtelriemens durch mehrere herabhängende Kurzriemen gilt als Erfindung der Awaren, eines asiatischen Reitervolks, dessen Herrschafts- und Einflussbereich gegen Ende des 6. Jahrhunderts vom Karpatenbecken bis an die östlichen Grenzgebiete des fränkischen Reichs reichte. Die germanischen Langobarden, im Donauraum noch Nachbarn und Verbündete der Awaren, übernahmen diese Kunst der Gürtelverzierung und brachten sie gegen Ende des 6. Jahrhundert mit ihren Eroberungen nach Oberitalien. – im letzten Akt der sog. „Völkerwanderung“.

Die Fundorte von Bulgarien und Ungarn bis in die Toskana und die Lombardei (= Langobardia) spiegeln diesen Prozess; die Funde nördlich der Alpen (Herrsching, Staubing, Weingarten, Linz-Zizlau) zeigen ergänzend die engen politischen und verwandtschaftlichen Beziehungen der Langobarden mit dem Herzogtum der Agilolfinger und dessen Bewohnern, den Baiovaren.

Eine Datierung der Gürtelgarnituren ergab sich zunächst aus der Zuordnung datierbarer Grabfunde, z.B. von Münzen, zu stilistischen Details wie der Länge der Metallbeschläge am Ende der Kurzriemen, den sog. Riemenzungen. Die kürzeren von ihnen, die Nebenriemenzungen, haben beim Herrschinger Gürtel eine Länge von etwa 3 cm, die lange Hauptriemenzunge misst fast 7 cm. Solche Längenmaße und weitere, vergleichende Untersuchungen der künstlerischen Ornamentik führten zu einer so exakten Chronologie, dass die Kunstform der Gürtelgarnitur ihrerseits zur Datierung der Gräber herangezogen werden konnte. Gegen Ende des 7. Jahrhunderts kommen die mehrteiligen Gürtel aus der Mode, es finden sich jetzt nur noch einfache Gürtelformen.

Für das Exemplar im Herrschinger Grab 9 führt dies zu einer Datierung auf die Jahre 620-630, das ähnlichste Stück fand man in einem langobardischen Kriegergrab in der Nähe von Mailand (Trezzo sull‘ Adda), das durch eine Münze des byzantinischen Kaisers Phokas auf die Zeit nach 607 datiert ist. Unser Prunkgürtel ist damit einer der ältesten dieser Art nördlich der Alpen und mit großer Sicherheit ein im langobardischen Oberitalien gefertigtes Importstück. Die Länge der Riemenzungen, die „Perldraht“-Ornamentik und das kostbare Material, massives Silber mit feuervergoldeter Schauseite, verbinden ihn mit byzantinischen Exemplaren – „sichtbarer Ausdruck dafür, dass der Mann in Grab 9 über weitreichende Verbindungen verfügte“ und ein „Mitglied der Führungsschicht“ war (A. Burzler).

Nach einem für süddeutsche Grabfunde entwickelten Schema der Qualitätsgruppen rangierte der Besitzer dieses Prunkgürtels in der gesellschaftlichen Rangskala gleich hinter dem Herzog (E. Keller).

Burzler, Anke: Bemerkungen zur vielteiligen Gürtelgarnitur aus Grab 9 von Herrsching a. Ammersee. In: Bericht der Bayerischen Bodendenkmalpflege 32/33, 1991/92 (1995), S. 69-78

Keller, Erwin: Der frühmittelalterliche Adelsfriedhof mit Kirche von Herrsching am Ammersee. In: I. Eberl, W. Hartung, J. Jahn (Hgg.), Früh- und hochmittelalterlicher Adel in Schwaben und Bayern, Regio 1, 1988, S. 9-22

Awarische Gürtelgarnitur
Awarische Gürtelgarnitur
James Steakley, Grave goods from the Avar cemetery of Gyenesdiás, Hungary - harness mountings, Angeschnitten, CC BY-SA 3.0
Die Herrschinger Gürtelgarnitur. Sie schmückte den Gürtel für das Kurzschwert (Sax).
Die Herrschinger Gürtelgarnitur. Sie schmückte den Gürtel für das Kurzschwert (Sax).
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